Verdickung der Aderhaut - schneller Handlungsbedarf?

Zitat von Mandy am 17. April 2025, 15:14 UhrLieber Herr Dr. Torrent, liebe Forumsteilnehmer,
eine 71 jährige langjährige Kundin (war MFA und ist kein Arztgänger :-) ) kam mit der Bitte nach einer neuen Brille zu uns. Wir haben bei der Gelegenheit ein OCT gemacht.
-Hypertonie seit 15 Jahren -ist eingestellt; außerdem L-Thyroxin, sonst keine Medis, keine positive Familienanamnese
Visus R 1,2 Visus L 0,8 (vor 5 Jahren bei 1,0) leichter Katarakt in beiden Augen)
CIOP OD 18,7 / OS 19,8
A/V Verhältnis 1:2 , leichte Kreuzungszeichen, Kaliberschwankungen
C/D Verhältnis mit 0,74 beidseits auffällig aber die Nervenfaserschicht nur am OD inferior leicht verdünnt- hier würde ich eine Verlaufskontrolle nach einem halben Jahr machen.
Was ich nicht einordnen kann, ist auf dem rechten Auge die Verdickung der Aderhaut temporal der Makula auch dezent links vorhanden. Besteht hier Handlunsbedarf oder reicht eine Verlaufskontrolle?
Ganz lieben Dank für die Meinungen und Anregungen!
Liebe Grüße aus Eberswalde...
Lieber Herr Dr. Torrent, liebe Forumsteilnehmer,
eine 71 jährige langjährige Kundin (war MFA und ist kein Arztgänger :-) ) kam mit der Bitte nach einer neuen Brille zu uns. Wir haben bei der Gelegenheit ein OCT gemacht.
-Hypertonie seit 15 Jahren -ist eingestellt; außerdem L-Thyroxin, sonst keine Medis, keine positive Familienanamnese
Visus R 1,2 Visus L 0,8 (vor 5 Jahren bei 1,0) leichter Katarakt in beiden Augen)
CIOP OD 18,7 / OS 19,8
A/V Verhältnis 1:2 , leichte Kreuzungszeichen, Kaliberschwankungen
C/D Verhältnis mit 0,74 beidseits auffällig aber die Nervenfaserschicht nur am OD inferior leicht verdünnt- hier würde ich eine Verlaufskontrolle nach einem halben Jahr machen.
Was ich nicht einordnen kann, ist auf dem rechten Auge die Verdickung der Aderhaut temporal der Makula auch dezent links vorhanden. Besteht hier Handlunsbedarf oder reicht eine Verlaufskontrolle?
Ganz lieben Dank für die Meinungen und Anregungen!
Liebe Grüße aus Eberswalde...
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- AUTO20250417144748___20250410_102651_Papille_3D_BEIDE_AUGEN_6mm_512x128_REPORT.pdf
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- AUTO20250417144748___20250410_103104_Widefield_3D_L_EINZELN_15mm_1024x168_REPORT.pdf
- AUTO20250417144748___20250410_103746_Widefield_3D_R_EINZELN_15mm_1024x168_REPORT.pdf
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Zitat von Joshua Torrent Despouy am 30. April 2025, 00:48 UhrHallo liebe Forum-User,
auch dieser Fall ist wieder ein echtes Highlight – spannend, vielschichtig und ein perfekter Anlass, um gemeinsam zu überlegen. Ich kann die bisherige Befundbeschreibung nur bestätigen – alles exakt beobachtet und interpretiert!
Was sofort ins Auge fällt, ist die auffällige Form der Sehnervpapille. In der computergestützten Analyse wurde hier ein Parameter rot markiert – das kann im ersten Moment beunruhigen. Aber: Eine solche Abweichung von der Norm bedeutet nicht automatisch, dass eine krankhafte Veränderung vorliegt. Besonders interessant ist in diesem Fall, dass es sich um eine sogenannte Makropapille handelt – also eine besonders große Papille. Diese anatomische Besonderheit kann dazu führen, dass gewisse Parameter außerhalb der Normwerte erscheinen, obwohl keine echte Pathologie besteht. Hier ist also wieder etwas detektivisches Gespür gefragt!
Ein Blick auf die Nervenfaserschicht (RNFL) zeigt ein weitgehend unauffälliges Bild – bis auf einen einzigen Sektor sehen alle Bereiche stabil aus, ohne Anzeichen einer flächigen Ausdünnung. Kombiniert mit einem regulären Augeninnendruck ergibt sich kein Hinweis auf ein manifestes Glaukom.
Noch skeptisch? Kein Problem – wir sichern unsere Einschätzung doppelt ab: Auch in der makulären Ganglienzellanalyse zeigt sich beidseits ein reguläres, schönes „Donut“-Muster. Es gibt keinerlei Anhalt für eine ganglionäre Läsion. Alles spricht also für eine besondere, aber harmlose Papillenform – und nicht für ein Glaukom.
Nun zur zweiten spannenden Beobachtung: Auf der OCT-Aufnahme des hinteren Augenpols zeigt sich temporal der Fovea eine leichte Erhebung – ein sogenanntes Pushing-Phänomen. Was sehen wir hier genau?
Die Netzhautschichten erscheinen intakt – keine Auffälligkeiten in der retinalen Architektur. Der Ursprung der Erhebung scheint also aus tieferer Ebene zu kommen, genauer gesagt: aus der Aderhaut. Die Struktur selbst wirkt nicht solide, wie man es etwa bei einem Nävus erwarten würde, sondern zystisch verändert – eine Konfiguration, die man im Rahmen eines pachychoroidalen Spektrums kennt. Diese Verdickung der Aderhaut ist zunächst unbedenklich, allerdings können solche Veränderungen mit anderen Befunden assoziiert sein, weshalb eine Verlaufskontrolle sinnvoll bleibt.
Auch wenn die Patientin Untersuchungen eher meidet – in diesem Fall lohnt sich ein Wiedersehen in etwa sechs Monaten, um die Veränderung noch einmal zu überprüfen.
Vielen Dank für diesen interessanten Fall und die großartigen Bilder – ein schönes Beispiel, wie vielschichtig und faszinierend selbst scheinbar „einfache“ Befunde sein können.
Herzliche Grüße
EuerJoshua Torrent
P.S: für alle, die sich beim Begriff „pachychoroidal“ gefragt haben, was da eigentlich genau passiert – hier eine kleine Exkursion für die besonders Wissbegierigen unter euch.
Pachychoroidale Veränderungen beschreiben eine Gruppe von Erkrankungen im Bereich der Makula, bei denen die Aderhaut – das Gefäßgeflecht direkt unterhalb der Netzhaut – krankhaft verdickt ist. Diese Verdickung geht meist mit einer Stauung der Blutgefäße einher. Die Folge? Eine ganze Kaskade möglicher Veränderungen, die Netzhaut und Pigmentepithel betreffen und – je nach Ausprägung – auch das Sehen beeinträchtigen können.
Die bekannteste Vertreterin dieser Erkrankungsgruppe ist die Retinopathia centralis serosa (RCS) – eine der häufigsten Ursachen für dauerhafte Schäden in der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens.
Der Begriff „Pachychoroid“ wurde übrigens erst 2013 eingeführt – von Warrow, Hoang und Freund – und hat seitdem für viel neues Verständnis, aber auch neue Fragen gesorgt.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig verstanden. Was man weiß: Bei pachychoroidalen Veränderungen ist die Aderhaut im Bereich der Makula zu dick – häufig über 300 bis 350 Mikrometer – und zeigt eine gestörte Gefäßregulation. Die Stauung in den Gefäßen erzeugt Druck auf die umliegenden Strukturen, führt zu Flüssigkeitsaustritten und beeinträchtigt die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Im weiteren Verlauf kann es zu Schäden am retinalen Pigmentepithel und der darüber liegenden Netzhaut kommen – mit spürbaren Folgen für die zentrale Sehschärfe.
Formen:
1. Pachychoroid ohne Krankheitswert:
Bei vielen (oft jungen oder weitsichtigen) Menschen findet sich eine verdickte Aderhaut ohne weitere Auffälligkeiten. Solange keine Schäden im Pigmentepithel oder der Netzhaut entstehen, gilt das als unbedenklich.2. Pachychoroidale Pigmentepitheliopathie (PPE):
Wenn erste Veränderungen im Pigmentepithel auftreten, spricht man von einer PPE. Diese ist meist symptomlos, kann aber ein Vorläufer weiterführender Schäden sein.3. Retinopathia centralis serosa (RCS):
Kommt es zum Flüssigkeitsaustritt unter die Netzhaut, entsteht eine typische Blasenbildung. Patienten berichten dann von einem grauen Fleck im zentralen Gesichtsfeld oder einer verzerrten Wahrnehmung. Die Flüssigkeit resorbiert sich oft von selbst, kann aber wiederkommen – bei rund der Hälfte der Betroffenen.4. Pachychoroidale Neovaskulopathie (PNV):
Bei chronischen Verläufen (oft über Jahre) können neue Blutgefäße aus der Aderhaut in Richtung Netzhaut wachsen – eine sogenannte Neovaskularisation. Diese kann zu Blutungen, Vernarbungen und starker Sehverschlechterung führen. Hier hilft meist nur noch die bewährte anti-VEGF-Therapie – eine Injektion direkt ins Auge.5. Polypoidale choroidale Vaskulopathie (PCV):
Wenn sich in diesen Gefäßneubildungen auch noch kleine Aneurysmen bilden, spricht man von einer aneurysmatischen Typ-1-CNV – früher bekannt als PCV. Auch diese Variante zählt zum pachychoroidalen Spektrum und kann dramatische Sehverluste verursachen.Zusätzlich können auch sogenannte fokale choroidale Exkavationen auftreten – lokale Einziehungen der Aderhaut, vermutlich als Narbenreaktion.
Hallo liebe Forum-User,
auch dieser Fall ist wieder ein echtes Highlight – spannend, vielschichtig und ein perfekter Anlass, um gemeinsam zu überlegen. Ich kann die bisherige Befundbeschreibung nur bestätigen – alles exakt beobachtet und interpretiert!
Was sofort ins Auge fällt, ist die auffällige Form der Sehnervpapille. In der computergestützten Analyse wurde hier ein Parameter rot markiert – das kann im ersten Moment beunruhigen. Aber: Eine solche Abweichung von der Norm bedeutet nicht automatisch, dass eine krankhafte Veränderung vorliegt. Besonders interessant ist in diesem Fall, dass es sich um eine sogenannte Makropapille handelt – also eine besonders große Papille. Diese anatomische Besonderheit kann dazu führen, dass gewisse Parameter außerhalb der Normwerte erscheinen, obwohl keine echte Pathologie besteht. Hier ist also wieder etwas detektivisches Gespür gefragt!
Ein Blick auf die Nervenfaserschicht (RNFL) zeigt ein weitgehend unauffälliges Bild – bis auf einen einzigen Sektor sehen alle Bereiche stabil aus, ohne Anzeichen einer flächigen Ausdünnung. Kombiniert mit einem regulären Augeninnendruck ergibt sich kein Hinweis auf ein manifestes Glaukom.
Noch skeptisch? Kein Problem – wir sichern unsere Einschätzung doppelt ab: Auch in der makulären Ganglienzellanalyse zeigt sich beidseits ein reguläres, schönes „Donut“-Muster. Es gibt keinerlei Anhalt für eine ganglionäre Läsion. Alles spricht also für eine besondere, aber harmlose Papillenform – und nicht für ein Glaukom.
Nun zur zweiten spannenden Beobachtung: Auf der OCT-Aufnahme des hinteren Augenpols zeigt sich temporal der Fovea eine leichte Erhebung – ein sogenanntes Pushing-Phänomen. Was sehen wir hier genau?
Die Netzhautschichten erscheinen intakt – keine Auffälligkeiten in der retinalen Architektur. Der Ursprung der Erhebung scheint also aus tieferer Ebene zu kommen, genauer gesagt: aus der Aderhaut. Die Struktur selbst wirkt nicht solide, wie man es etwa bei einem Nävus erwarten würde, sondern zystisch verändert – eine Konfiguration, die man im Rahmen eines pachychoroidalen Spektrums kennt. Diese Verdickung der Aderhaut ist zunächst unbedenklich, allerdings können solche Veränderungen mit anderen Befunden assoziiert sein, weshalb eine Verlaufskontrolle sinnvoll bleibt.
Auch wenn die Patientin Untersuchungen eher meidet – in diesem Fall lohnt sich ein Wiedersehen in etwa sechs Monaten, um die Veränderung noch einmal zu überprüfen.
Vielen Dank für diesen interessanten Fall und die großartigen Bilder – ein schönes Beispiel, wie vielschichtig und faszinierend selbst scheinbar „einfache“ Befunde sein können.
Herzliche Grüße
Euer
Joshua Torrent
P.S: für alle, die sich beim Begriff „pachychoroidal“ gefragt haben, was da eigentlich genau passiert – hier eine kleine Exkursion für die besonders Wissbegierigen unter euch.
Pachychoroidale Veränderungen beschreiben eine Gruppe von Erkrankungen im Bereich der Makula, bei denen die Aderhaut – das Gefäßgeflecht direkt unterhalb der Netzhaut – krankhaft verdickt ist. Diese Verdickung geht meist mit einer Stauung der Blutgefäße einher. Die Folge? Eine ganze Kaskade möglicher Veränderungen, die Netzhaut und Pigmentepithel betreffen und – je nach Ausprägung – auch das Sehen beeinträchtigen können.
Die bekannteste Vertreterin dieser Erkrankungsgruppe ist die Retinopathia centralis serosa (RCS) – eine der häufigsten Ursachen für dauerhafte Schäden in der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens.
Der Begriff „Pachychoroid“ wurde übrigens erst 2013 eingeführt – von Warrow, Hoang und Freund – und hat seitdem für viel neues Verständnis, aber auch neue Fragen gesorgt.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig verstanden. Was man weiß: Bei pachychoroidalen Veränderungen ist die Aderhaut im Bereich der Makula zu dick – häufig über 300 bis 350 Mikrometer – und zeigt eine gestörte Gefäßregulation. Die Stauung in den Gefäßen erzeugt Druck auf die umliegenden Strukturen, führt zu Flüssigkeitsaustritten und beeinträchtigt die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Im weiteren Verlauf kann es zu Schäden am retinalen Pigmentepithel und der darüber liegenden Netzhaut kommen – mit spürbaren Folgen für die zentrale Sehschärfe.
Formen:
1. Pachychoroid ohne Krankheitswert:
Bei vielen (oft jungen oder weitsichtigen) Menschen findet sich eine verdickte Aderhaut ohne weitere Auffälligkeiten. Solange keine Schäden im Pigmentepithel oder der Netzhaut entstehen, gilt das als unbedenklich.
2. Pachychoroidale Pigmentepitheliopathie (PPE):
Wenn erste Veränderungen im Pigmentepithel auftreten, spricht man von einer PPE. Diese ist meist symptomlos, kann aber ein Vorläufer weiterführender Schäden sein.
3. Retinopathia centralis serosa (RCS):
Kommt es zum Flüssigkeitsaustritt unter die Netzhaut, entsteht eine typische Blasenbildung. Patienten berichten dann von einem grauen Fleck im zentralen Gesichtsfeld oder einer verzerrten Wahrnehmung. Die Flüssigkeit resorbiert sich oft von selbst, kann aber wiederkommen – bei rund der Hälfte der Betroffenen.
4. Pachychoroidale Neovaskulopathie (PNV):
Bei chronischen Verläufen (oft über Jahre) können neue Blutgefäße aus der Aderhaut in Richtung Netzhaut wachsen – eine sogenannte Neovaskularisation. Diese kann zu Blutungen, Vernarbungen und starker Sehverschlechterung führen. Hier hilft meist nur noch die bewährte anti-VEGF-Therapie – eine Injektion direkt ins Auge.
5. Polypoidale choroidale Vaskulopathie (PCV):
Wenn sich in diesen Gefäßneubildungen auch noch kleine Aneurysmen bilden, spricht man von einer aneurysmatischen Typ-1-CNV – früher bekannt als PCV. Auch diese Variante zählt zum pachychoroidalen Spektrum und kann dramatische Sehverluste verursachen.
Zusätzlich können auch sogenannte fokale choroidale Exkavationen auftreten – lokale Einziehungen der Aderhaut, vermutlich als Narbenreaktion.

Zitat von Mandy am 12. Mai 2025, 12:51 UhrSehr geehrter Herr Dr.med Torrent,
vielen lieben Dank für die ausführliche Einschätzung und die Erklärung der neuesten Fachbegriffe!
Ich werde wie geplant in 6 Monaten die Verlaufskontrolle durchführen.
Mit freundlichen Grüßen Mandy
Sehr geehrter Herr Dr.med Torrent,
vielen lieben Dank für die ausführliche Einschätzung und die Erklärung der neuesten Fachbegriffe!
Ich werde wie geplant in 6 Monaten die Verlaufskontrolle durchführen.
Mit freundlichen Grüßen Mandy