OP am Oculus melior bei VMTS

Zitat von Mandy am 17. April 2025, 14:45 UhrSehr geehrter Herr Dr. Torrent,
heute wurde ein 81 jähriger fitter Mann (seit Jahrzenten ein treuer Kunde bei uns) vorstellig mit der Bitte um einen Rat! (es handelt sich um einen entfernten Bekannten) , guter Allgemeinzustand: Schwerhörigkeit beidseits und benige essentielle Hypertonie
Diagnosen:
R/L Zustand nach nAION (2010 OD, 2017 OS), Katarakt(corticonnuclearis), vitromakuläres Traktionssyndrom
RA: Visus korrigiert 0,2 LA: Fingerzeichen (kleines GF temporal übrig)
NCT: 13 / 15 Amsler: RA keine Metamorphopsien LA nicht möglich
Dem Mann wurde eine Vitrektomie und ein NH Peeling in Kombination mit einer Kat OP auf dem rechten Auge empfohlen.
Wie hoch ist ihrer geschätzten Meinung nach das Risiko einer weiteren Verschlechterung der Sehleistung bei bzw. nach der OP?
Was halten sie davon, erst einmal abzuwarten? Wobei hier ja durch Schrumpfung der Glaskörpers auch eine Sehverschlechterung eintreten kann?!
Vielen lieben Dank für ihre Einschätzung!
Viele Grüße und allen ein schönes Osterfest Mandy Marchwat
Sehr geehrter Herr Dr. Torrent,
heute wurde ein 81 jähriger fitter Mann (seit Jahrzenten ein treuer Kunde bei uns) vorstellig mit der Bitte um einen Rat! (es handelt sich um einen entfernten Bekannten) , guter Allgemeinzustand: Schwerhörigkeit beidseits und benige essentielle Hypertonie
Diagnosen:
R/L Zustand nach nAION (2010 OD, 2017 OS), Katarakt(corticonnuclearis), vitromakuläres Traktionssyndrom
RA: Visus korrigiert 0,2 LA: Fingerzeichen (kleines GF temporal übrig)
NCT: 13 / 15 Amsler: RA keine Metamorphopsien LA nicht möglich
Dem Mann wurde eine Vitrektomie und ein NH Peeling in Kombination mit einer Kat OP auf dem rechten Auge empfohlen.
Wie hoch ist ihrer geschätzten Meinung nach das Risiko einer weiteren Verschlechterung der Sehleistung bei bzw. nach der OP?
Was halten sie davon, erst einmal abzuwarten? Wobei hier ja durch Schrumpfung der Glaskörpers auch eine Sehverschlechterung eintreten kann?!
Vielen lieben Dank für ihre Einschätzung!
Viele Grüße und allen ein schönes Osterfest Mandy Marchwat
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Zitat von Joshua Torrent Despouy am 26. April 2025, 09:57 UhrHallo Zusammen,
Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass meine Einschätzung erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt. Der vorliegende Fall ist ausgesprochen komplex und verdient eine besonders differenzierte Betrachtung – sowohl aus medizinischer als auch aus menschlicher Perspektive.
In diesem Fall handelt es sich um eine ausgeprägte vitreomakuläre Traktion (VMT), deren Ausprägung in dieser Deutlichkeit selten zu beobachten ist. Bei einer VMT kommt es durch Adhäsionen zwischen Glaskörper und Makula zu einer mechanischen Zugbelastung auf das zentrale Netzhautareal, was unbehandelt zu fortschreitender Sehminderung, strukturellen Schäden bis hin zur Entstehung eines Makulaforamens führen kann.
In diesem speziellen Fall liegt eine eindeutige medizinische Indikation für eine operative Intervention vor. Die empfohlene Vorgehensweise umfasst:
- Pars plana Vitrektomie zur Entfernung des Glaskörpers,
- Membranpeeling zur Lösung epiretinaler Membranen und interner Limiting Membran (ILM),
- gleichzeitige Kataraktoperation
Diese operative Strategie stellt die einzige realistische Option dar, den Krankheitsprozess aufzuhalten und eine Verbesserung des Visus zu ermöglichen. Ohne chirurgische Sanierung ist nahezu sicher mit einem weiteren Sehabfall zu rechnen.
Selbstverständlich muss im Rahmen der präoperativen Aufklärung betont werden, dass ein Restrisiko für eine Komplikation, wie beispielsweise Netzhautablösung oder postoperative Infektionen, besteht. Statistisch ist jedoch das Risiko einer deutlichen Visusverschlechterung ohne Operation wesentlich höher als durch die Operation selbst. Die Risiko-Nutzen-Abwägung fällt somit klar zugunsten des Eingriffs aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Längeres Zuwarten würde ggf. die technische Schwierigkeit des Eingriffs erhöhen als auch das postoperative Risiko ungünstig beeinflussen könnte.
Die besondere Herausforderung in diesem Fall liegt jedoch nicht allein in der medizinischen Beurteilung: Es handelt sich um das letzte sehende Auge des Patienten. Jede Intervention birgt, wenn auch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit, die Möglichkeit eines irreversiblen Visusverlustes – was in diesem Fall bilaterale Blindheit bedeuten würde. Diese existenzielle Bedrohung beeinflusst die Entscheidungsfindung des Patienten verständlicherweise erheblich.
Deshalb muss die Aufklärung besonders behutsam, einfühlsam und umfassend erfolgen. Der Patient muss verstehen, dass im Falle einer Vitrektomie mit intraoperativer Gasfüllung eine vorübergehende erhebliche Visuseinschränkung zu erwarten ist. Die physikalischen Eigenschaften des Gases bewirken, dass für etwa zwei Wochen nach der Operation das Sehen stark eingeschränkt ist – ein Zustand, der normal ist und keinen Hinweis auf eine Komplikation darstellt.
Diese Phase kann emotional sehr belastend sein. Es ist daher unerlässlich, dem Patienten emotionale und praktische Unterstützung anzubieten, um Ängsten und Unsicherheiten entgegenzuwirken.
Ein weiterer Punkt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, ist das anästhesiologische Risiko. Eine Operation dieser Art dauert etwa eine Stunde und erfordert eine Narkose. In Anbetracht des Alters (81 Jahre) und der bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen ist das Risiko für Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöht. Eine sorgfältige internistische und anästhesiologische Vorbereitung und Risikoeinschätzung ist zwingend notwendig.
Auch hier gilt: Der Nutzen einer erhaltenen Sehkraft auf dem letzten Auge – und damit der Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität – überwiegt in der Gesamtbetrachtung das Risiko, vorausgesetzt, die präoperative Diagnostik und Vorbereitung erfolgen gewissenhaft.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
- Aus medizinischer Sicht ist die Operation eindeutig indiziert und sinnvoll.
- Die operative Technik ist etabliert und gut planbar.
- Eine Verschlechterung ohne Operation ist hoch wahrscheinlich.
- Das individuelle Risiko muss offen kommuniziert, aber im Kontext der Prognose ohne Intervention betrachtet werden.
- Die emotionale Dimension und das Bauchgefühl des Patienten spielen eine zentrale Rolle.
Entscheidend ist, dass die Entscheidung im Rahmen eines "Informed Consent" getroffen wird: der Patient wird umfassend, verständlich und empathisch über Chancen und Risiken aufgeklärt und trifft auf dieser Basis selbstbestimmt seine Wahl.
In meiner persönlichen Einschätzung handelt es sich um eine sinnvolle und realisierbare Operation mit einer guten Erfolgsaussicht – wenn auch ohne absolute Garantie. Einfühlsame Kommunikation, eine interdisziplinäre Vorbereitung sowie die Begleitung des Patienten während der schwierigen postoperativen Phase sind essenziell.
Denn letztlich geht es nicht nur um ein medizinisches Verfahren – es geht um den Erhalt von Lebensqualität, Autonomie und Würde.
Viele Grüße an alle,
Dr. med. Joshua Torrent
Hallo Zusammen,
Zunächst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass meine Einschätzung erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt. Der vorliegende Fall ist ausgesprochen komplex und verdient eine besonders differenzierte Betrachtung – sowohl aus medizinischer als auch aus menschlicher Perspektive.
In diesem Fall handelt es sich um eine ausgeprägte vitreomakuläre Traktion (VMT), deren Ausprägung in dieser Deutlichkeit selten zu beobachten ist. Bei einer VMT kommt es durch Adhäsionen zwischen Glaskörper und Makula zu einer mechanischen Zugbelastung auf das zentrale Netzhautareal, was unbehandelt zu fortschreitender Sehminderung, strukturellen Schäden bis hin zur Entstehung eines Makulaforamens führen kann.
In diesem speziellen Fall liegt eine eindeutige medizinische Indikation für eine operative Intervention vor. Die empfohlene Vorgehensweise umfasst:
- Pars plana Vitrektomie zur Entfernung des Glaskörpers,
- Membranpeeling zur Lösung epiretinaler Membranen und interner Limiting Membran (ILM),
- gleichzeitige Kataraktoperation
Diese operative Strategie stellt die einzige realistische Option dar, den Krankheitsprozess aufzuhalten und eine Verbesserung des Visus zu ermöglichen. Ohne chirurgische Sanierung ist nahezu sicher mit einem weiteren Sehabfall zu rechnen.
Selbstverständlich muss im Rahmen der präoperativen Aufklärung betont werden, dass ein Restrisiko für eine Komplikation, wie beispielsweise Netzhautablösung oder postoperative Infektionen, besteht. Statistisch ist jedoch das Risiko einer deutlichen Visusverschlechterung ohne Operation wesentlich höher als durch die Operation selbst. Die Risiko-Nutzen-Abwägung fällt somit klar zugunsten des Eingriffs aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Längeres Zuwarten würde ggf. die technische Schwierigkeit des Eingriffs erhöhen als auch das postoperative Risiko ungünstig beeinflussen könnte.
Die besondere Herausforderung in diesem Fall liegt jedoch nicht allein in der medizinischen Beurteilung: Es handelt sich um das letzte sehende Auge des Patienten. Jede Intervention birgt, wenn auch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit, die Möglichkeit eines irreversiblen Visusverlustes – was in diesem Fall bilaterale Blindheit bedeuten würde. Diese existenzielle Bedrohung beeinflusst die Entscheidungsfindung des Patienten verständlicherweise erheblich.
Deshalb muss die Aufklärung besonders behutsam, einfühlsam und umfassend erfolgen. Der Patient muss verstehen, dass im Falle einer Vitrektomie mit intraoperativer Gasfüllung eine vorübergehende erhebliche Visuseinschränkung zu erwarten ist. Die physikalischen Eigenschaften des Gases bewirken, dass für etwa zwei Wochen nach der Operation das Sehen stark eingeschränkt ist – ein Zustand, der normal ist und keinen Hinweis auf eine Komplikation darstellt.
Diese Phase kann emotional sehr belastend sein. Es ist daher unerlässlich, dem Patienten emotionale und praktische Unterstützung anzubieten, um Ängsten und Unsicherheiten entgegenzuwirken.
Ein weiterer Punkt, der nicht außer Acht gelassen werden darf, ist das anästhesiologische Risiko. Eine Operation dieser Art dauert etwa eine Stunde und erfordert eine Narkose. In Anbetracht des Alters (81 Jahre) und der bestehenden kardiovaskulären Vorerkrankungen ist das Risiko für Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöht. Eine sorgfältige internistische und anästhesiologische Vorbereitung und Risikoeinschätzung ist zwingend notwendig.
Auch hier gilt: Der Nutzen einer erhaltenen Sehkraft auf dem letzten Auge – und damit der Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität – überwiegt in der Gesamtbetrachtung das Risiko, vorausgesetzt, die präoperative Diagnostik und Vorbereitung erfolgen gewissenhaft.
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
- Aus medizinischer Sicht ist die Operation eindeutig indiziert und sinnvoll.
- Die operative Technik ist etabliert und gut planbar.
- Eine Verschlechterung ohne Operation ist hoch wahrscheinlich.
- Das individuelle Risiko muss offen kommuniziert, aber im Kontext der Prognose ohne Intervention betrachtet werden.
- Die emotionale Dimension und das Bauchgefühl des Patienten spielen eine zentrale Rolle.
Entscheidend ist, dass die Entscheidung im Rahmen eines "Informed Consent" getroffen wird: der Patient wird umfassend, verständlich und empathisch über Chancen und Risiken aufgeklärt und trifft auf dieser Basis selbstbestimmt seine Wahl.
In meiner persönlichen Einschätzung handelt es sich um eine sinnvolle und realisierbare Operation mit einer guten Erfolgsaussicht – wenn auch ohne absolute Garantie. Einfühlsame Kommunikation, eine interdisziplinäre Vorbereitung sowie die Begleitung des Patienten während der schwierigen postoperativen Phase sind essenziell.
Denn letztlich geht es nicht nur um ein medizinisches Verfahren – es geht um den Erhalt von Lebensqualität, Autonomie und Würde.
Viele Grüße an alle,
Dr. med. Joshua Torrent

Zitat von Mandy am 12. Mai 2025, 12:39 UhrLieber Herr Dr.med. Joshua Torrent,
vielen lieben Dank für Ihre wieder sehr ausführliche, fachlich und vor allem menschliche tolle Einschätzung.
Ich bin heute erst wieder aus dem Urlaub zurück und werde mich mit dem Kunden in Verbindung setzen.
Vielen Dank für Ihre Zeit, die sie sich hier im Forum nehmen. Ich lerne hier unheimlich viel durch ihre tollen fachlichen Ausführungen.
Ganz lieben Dank und viele Grüße Mandy Marchwat
Lieber Herr Dr.med. Joshua Torrent,
vielen lieben Dank für Ihre wieder sehr ausführliche, fachlich und vor allem menschliche tolle Einschätzung.
Ich bin heute erst wieder aus dem Urlaub zurück und werde mich mit dem Kunden in Verbindung setzen.
Vielen Dank für Ihre Zeit, die sie sich hier im Forum nehmen. Ich lerne hier unheimlich viel durch ihre tollen fachlichen Ausführungen.
Ganz lieben Dank und viele Grüße Mandy Marchwat