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Maculaforamen bei vitreomaculärer Traktion

Es handelt sich um eine 60 jährige Kundin.
Sie vereinbarte einen Termin zur Kontrolle da ihr auffiel am PC mit ihrer PC Brille schlechter zu sehen.
Im Anamnesegespräch erwähnte sie, dass ihr jetzt erst auf der Fahrt aufgefallen ist, dass das rechte Auge schlecht ist.
Die Aberrometrie war unauffällig. Kaum Änderungen der refaktiven Werte und keine auffälligen HOA.
Ref: R/L -3,0 zyl -2,0
Allgemeinerkrankungen negativ
Medikamente negativ
Die Fundusfotografie zeigte keine eindeutige Auffälligkeit im foveolären Bereich, Das A/V Verhälnis erscheint mit grenzwertig, die Papille beiderseits mit PpA.
Das OCT zeigte dann die folgenden Bilder.
Der Visus betrug R 0,3 mit exzentrischer Fixation, L 1,0.
Durch die Traktionskräfte wurde ein durchgängigs Loch im foveolären Bereich gerissen welches bis an das RPE heranreicht. Das RPE Band besteht weiter durchgängig.
Links ist eine seichte Veränderung des zentralen Foveaprofils durch Traktionskräfte zu erkennen.
Ich empfahl der Kundin in den nächsten paar Tagen eine Vorstellung beim Augenarzt.
Ich bat Dr. Despouy um eine klinische Beurteilung und eine Stellungnahme zu einem weiteren Behandlungsverlauf.

Hier die Ausführungen von Dr. Despouy - vielen Dank hiefür.

Es handelt es sich im rechten Auge der Patientin um ein durchgreifendes Makulaforamen (Makulaloch), das infolge einer chronisch persistierenden vitreomakulären Traktion relativ spontan entstanden ist. Dieser zentrale Defekt führt dazu, dass der Visus aufgrund eines resultierenden Zentralskotoms (Gesichtsfeldausfall im Zentrum) nicht mehr als 0,1 betragen kann und typischerweise mit einer exzentrischen Fixation einhergeht. Im linken Auge zeigt sich eine vitreoretinale Adhärenz, die noch keine funktionellen Defizite verursacht.

 

Die OCT-Aufnahme des rechten Auges zeigt einen durchgreifenden zentralen fovealen Defekt. Deutlich erkennbar ist ein ausgerissener Teil der neurosensorischen Netzhaut, der aufgrund der starken Traktion vor der Netzhaut schwebt. Der zentrale Defekt auf Netzhautebene ist sehr markant und in allen Netzhautschichten erkennbar. Am Rand des Defekts sind Randzysten zu sehen, die jedoch nicht durch Makuladegeneration oder andere Störungen bedingt werden, sondern eine Folge der Traktion darstellen.

 

Therapeutisch ist es zunächst ratsam, einen Zeitraum von 4-6 Wochen abzuwarten, um zu beurteilen, ob eine Tendenz zur Selbstheilung besteht, obwohl dies eher unwahrscheinlich ist. Falls keine Regeneration und Normalisierung der Netzhaut erkennbar sind, kann eine operative Sanierung in Betracht gezogen und geplant werden. Dies könnte eine Vitrektomie mit Peeling und Tamponade unter Narkose beinhalten. Dieses Verfahren ist etabliert und sehr sicher. Die Prognose für eine Besserung ist sehr gut (eine Studie zeigte, dass 78% der operierten Patienten nach einem Jahr einen funktionellen Visusgewinn von mindestens 3 Zeilen aufweisen konnten). Der Patient sollte sich dazu bei einem Augenarzt oder in einer Augenklinik vorstellen. Ein minimal-invasiver medikamentöser Ansatz durch eine Augeninjektion (Wirkstoff: Ocriplasmin) wäre aufgrund der Dimension des Makulaforamens nicht angebracht bzw. erfolgsversprechend.

 

Im Folgenden finden Sie noch einige interessante Fakten und Informationen, die mir über das Makulaforamen noch bekannt sind:

 

  • Makulaforamen und vitreomakuläre Traktion sind häufige Erkrankungen, die hauptsächlich im höheren Lebensalter auftreten. Makulaforamen betreffen überwiegend Frauen. Die Inzidenz von Makulaforamen in der Gesamtbevölkerung liegt bei 4-8 pro 100.000 Personen pro Jahr. In einer deutschen Studie wurde bei 2 von 1890 Menschen im Alter von 40 bis 80 Jahren ein Makulaforamen festgestellt. 87-92% der Makulaforamina sind primär (idiopathisch), während die restlichen Fälle sekundär, insbesondere nach Trauma, auftreten. Das Durchschnittsalter bei der Erstdiagnose eines primären Makulaforamens beträgt 69 Jahre. Frauen erkranken 2,0-2,4-mal häufiger an einem Makulaforamen und 3,3-mal häufiger an einem primären Makulaforamen als Männer.
  • Die Prävalenz der vitreomakulären Traktion beträgt laut der Beaver Dam Eye Study bei 1540 Personen mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren 1,6%. Die Prävalenz steigt mit dem Alter an, von 1% in der Altersgruppe von 63-74 Jahren auf 5,6% in der Altersgruppe ab 85 Jahren. Die Maastricht Study ergab eine Prävalenz von 1,9% bei 2260 Personen im Alter von 40 bis 75 Jahren, ebenfalls mit einem Anstieg mit dem Alter. Es gibt keinen statistischen Unterschied zwischen den Geschlechtern.
  • Bilaterales Auftreten wird bei primären Makulaforamen bei 7-12% der Patienten beobachtet, während vitreomakuläre Traktion in 17% der Fälle bilateral auftritt.
  •  Die Entwicklung von Makulaforamen kann durch verschiedene Faktoren begünstigt werden, darunter höhere Myopie (Kurzsichtigkeit), eine Vorgeschichte von Netzhautablösung oder -rissen, Augenverletzungen oder Entzündungen im Auge.
  • Die vitreomakuläre Traktion kann auch mit anderen Augenerkrankungen assoziiert sein, wie diabetischer Retinopathie, altersbedingter Makuladegeneration und retinalen Venenverschlüssen.
  •  Die Spontanverschlussrate eines Makulaforamens beträgt nach etwa 2 Monaten 4% und nach 6-12 Monaten 11%. Bei Makulaforamen, die mit vitreomakulärer Traktion assoziiert sind, beträgt die Spontanverschlussrate nach 3 Monaten 15%, und bei kleinen Makulaforamen (< 250 µm) mit vitreomakulärer Traktion 27%. Die Spontanlösungsrate für vitreomakuläre Traktion ohne Makulaforamen beträgt nach 1 Monat 8%.
  •  Makulaforamen werden je nach Durchmesser in klein (< 250 µm), mittelgroß (250-400 µm) und groß (> 400 µm) eingeteilt. Die Einteilung ist relevant für die Wahl des Therapieverfahrens und die Prognose des Therapieerfolgs. Die Foramengröße wird mittels OCT (optische Kohärenztomographie) anhand des geringsten Durchmessers bestimmt. Dabei wird ein OCT-Scanraster über die Fovea gelegt und der Durchmesser des Makulaforamens an der engsten Stelle parallel zum RPE (retinalen Pigmentepithel) gemessen. Die vitreomakuläre Traktion wird je nach Durchmesser in fokal (< 1500 µm) und breitbasig (> 1500 µm) unterteilt. Dabei wird der maximale Durchmesser der Adhäsionsfläche der hinteren Glaskörpergrenze an der Netzhaut mittels OCT quantifiziert.
  • Die Indikation zur Therapie von Makulaforamen und vitreomakulärer Traktion richtet sich unabhängig vom angewandten Therapieverfahren nach den Beschwerden des Patienten. Mögliche Beschwerden sind Visusminderung, Leseschwierigkeiten, Metamorphopsie (verzerrtes Sehen), Mikropsie (verkleinertes Sehen), Makropsie (vergrößertes Sehen) und Zentralskotom (Gesichtsfeldausfall im Zentrum). Eine Therapie ist sinnvoll, wenn relevante Beschwerden aufgrund der Erkrankung vorliegen. In den meisten Fällen führt ein Verschluss des Makulaforamens oder eine Lösung der vitreomakulären Traktion zu einer Verbesserung der Beschwerden. Eine Studie zeigte, dass der Verschluss des Makulaforamens durch Vitrektomie bei 2226 Augen in 93% der Fälle zu einer Visusverbesserung um durchschnittlich 16,0 ETDRS-Buchstaben führte. Eine Metaanalyse von 259 Augen mit Visusminderung zeigte auch für die vitreomakuläre Traktion eine Visusbesserung bei 64% der Patienten nach Lösung der Traktion durch Vitrektomie.
  • Bei asymptomatischem Makulaforamen, das jedoch zu einem messbaren Visusabfall führt, sollte mit dem Patienten besprochen werden, dass eine Therapie auch ohne Beschwerden sinnvoll sein kann. Eine verzögerte Therapie kann langfristig zu einer schlechteren Visusprognose führen. Bei asymptomatischer vitreomakulärer Traktion ohne Makulaforamen ist keine Therapie erforderlich. Es sollten jedoch regelmäßige augenärztliche Kontrollen durchgeführt werden, da eine Progression der Traktion zu einem Makulaforamen vom Patienten möglicherweise nicht bemerkt wird und eine verzögerte Diagnose die Chance auf einen erfolgreichen Therapieerfolg verringert. Eine ausführliche Aufklärung des Patienten über die verfügbaren Therapieoptionen und seine aktive Einbeziehung in die Therapieentscheidung ist in allen Stadien der Behandlung von entscheidender Bedeutung.

 

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