fortschreitender (?) Visusverlust bei 12jährigem Kind

Zitat von goeltzer_Optometrie am 15. April 2025, 12:06 UhrLiebe OCT-Nutzer,
wir hatten am Wochenende einen Fall mit einem unklaren Visusverlust bei einem 12jährigen Kind. Das Kind sieht schon seit einiger Zeit an der Tafel schlecht. Ein Augenarztbesuch vor einiger Zeit ergab eine Brillenkorrektion mit ca. -0,50dpt und die Aussage "alles okay". Andere Augenärzte konnten ebenfalls nichts finden bzw. bestätigten die leichte Myopie.
Unsere Messung zeigte einen Visus sc von beidseits 0,10. Eine Korrektion mit bds. -1,00 +0,25 A 0 ergab einen maximalen Visus von 0,20. Das Kind ist sehr intelligent, Klassenbeste und kommt aus gutem Elternhaus - keine Anzeichen auf "Schoolgirl-Syndrom".
An den Fundusbildern fiel uns an beiden Augen eine veränderte Pigmentierung im paramakulären Bereich auf. Der Sehnerv erschient leicht atroph. Auf den OCT-Aufnahmen konnten wir jedoch keine deutlichen Veränderungen im Bereich der Papille und Makula erkennen.
Da die Kundin das erste Mal bei uns war, haben wir keine Aufzeichnungen zum früheren Visus - sie beschreibt aber schon seit längerem Probleme an der Tafel.
Hat jemand eine Idee, welche Ursache dieser reduzierte Visus haben könnte. Könnten das Anzeichen einer juvenilen Makuladystrophie sein?
Vielen Dank für Ideen und Tipps für das weitere Vorgehen:)
Liebe OCT-Nutzer,
wir hatten am Wochenende einen Fall mit einem unklaren Visusverlust bei einem 12jährigen Kind. Das Kind sieht schon seit einiger Zeit an der Tafel schlecht. Ein Augenarztbesuch vor einiger Zeit ergab eine Brillenkorrektion mit ca. -0,50dpt und die Aussage "alles okay". Andere Augenärzte konnten ebenfalls nichts finden bzw. bestätigten die leichte Myopie.
Unsere Messung zeigte einen Visus sc von beidseits 0,10. Eine Korrektion mit bds. -1,00 +0,25 A 0 ergab einen maximalen Visus von 0,20. Das Kind ist sehr intelligent, Klassenbeste und kommt aus gutem Elternhaus - keine Anzeichen auf "Schoolgirl-Syndrom".
An den Fundusbildern fiel uns an beiden Augen eine veränderte Pigmentierung im paramakulären Bereich auf. Der Sehnerv erschient leicht atroph. Auf den OCT-Aufnahmen konnten wir jedoch keine deutlichen Veränderungen im Bereich der Papille und Makula erkennen.
Da die Kundin das erste Mal bei uns war, haben wir keine Aufzeichnungen zum früheren Visus - sie beschreibt aber schon seit längerem Probleme an der Tafel.
Hat jemand eine Idee, welche Ursache dieser reduzierte Visus haben könnte. Könnten das Anzeichen einer juvenilen Makuladystrophie sein?
Vielen Dank für Ideen und Tipps für das weitere Vorgehen:)
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Zitat von Joshua Torrent Despouy am 17. April 2025, 00:24 UhrHallo zusammen,
ohne Frage handelt es sich hier um einen sehr komplexen Fall, der sich auf schriftlichem Wege nicht einfach lösen lässt. Differenzialdiagnostisch kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht, weshalb man sich der Ursache für die Visusminderung vermutlich nur über ein systematisches Ausschlussverfahren nähern kann.
Was die Refraktion betrifft, lässt sich die Situation nicht eindeutig zuordnen. Eine leichte Myopie ist in diesem Alter durchaus häufig – allerdings korreliert die gemessene Fehlsichtigkeit nicht mit dem angegebenen Visus. Bei einer Myopie von – 1,0 Dioptrien müsste der unkorrigierte Visus bereits deutlich besser sein. Daher scheint eine Myopie als alleinige Ursache unwahrscheinlich.
Auch eine ausgeprägte Amblyopie erscheint wenig plausibel, da es laut Anamnese keine früheren Auffälligkeiten bei den U-Untersuchungen oder anderweitigen augenärztlichen Kontrollen gegeben hat – ein solcher Visusverlust wäre dort in der Regel aufgefallen. Eine Makuladystrophie ist eine sehr seltene Erkrankung und kann anhand der vorhandenen Fundusbilder leider nicht sicher beurteilt werden. Dennoch spricht der primär in der Ferne reduzierte Visus nicht unbedingt dafür – makuläre Veränderungen zeigen sich meist sowohl im Fern- als auch im Nahsehen, was bei unauffälligen schulischen Leistungen eher unwahrscheinlich scheint.
Eine mögliche Erklärung könnte eine bislang unentdeckte, latente Hyperopie sein, die durch starke Akkommodationsleistung kompensiert wird. In manchen Fällen berichten Patient*innen mit einer Hyperopie sogar vorrangig über Beschwerden in der Ferne. Deshalb würde ich als nächsten diagnostischen Schritt eine Skiaskopie unter Zykloplegie empfehlen – zum einen zur objektiven Refraktionsbestimmung, zum anderen zur besseren Beurteilung des Fundus.
Spätestens mit dieser Untersuchung sollte sich eine Tendenz abzeichnen, ob eine unkorrigierte Hyperopie oder doch eine organische Ursache vorliegt. Ergänzend wäre eine erneute Nahvisusprüfung – mit und ohne Korrektur – aufschlussreich.
Differenzialdiagnostisch wurde auch das sogenannte "Schoolgirl-Syndrom" angesprochen – eine funktionelle Sehstörung, die gelegentlich bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Typisch ist dabei eine deutliche Diskrepanz zwischen den subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden. Ich habe selbst schon einige solcher Fälle begleitet und weiß, wie schwierig diese zu erkennen und einzuordnen sind. Vom Alter her wäre dies durchaus passend – aber auch hier gilt: Die Ursache kann in der Tiefe liegen und ist ohne umfassende Mitbeurteilung kaum zu erfassen.
Ein offenes Gespräch mit den Eltern – ohne das Kind – kann manchmal wichtige Hinweise liefern. In jedem Fall empfehle ich eine umfassende augenärztliche Mitbeurteilung, idealerweise inklusive Skiaskopie, orthoptischer Diagnostik und bei Verdacht auch unter Einbezug psychosomatischer Aspekte. Nur so lässt sich zwischen funktionellen und organischen Ursachen differenzieren.
Ich würde mich freuen, eine Rückmeldung zum weiteren Verlauf dieses interessanten Falls zu erhalten.
Beste Grüße,
Dr. med. Joshua Torrent Despouy
Hallo zusammen,
ohne Frage handelt es sich hier um einen sehr komplexen Fall, der sich auf schriftlichem Wege nicht einfach lösen lässt. Differenzialdiagnostisch kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht, weshalb man sich der Ursache für die Visusminderung vermutlich nur über ein systematisches Ausschlussverfahren nähern kann.
Was die Refraktion betrifft, lässt sich die Situation nicht eindeutig zuordnen. Eine leichte Myopie ist in diesem Alter durchaus häufig – allerdings korreliert die gemessene Fehlsichtigkeit nicht mit dem angegebenen Visus. Bei einer Myopie von – 1,0 Dioptrien müsste der unkorrigierte Visus bereits deutlich besser sein. Daher scheint eine Myopie als alleinige Ursache unwahrscheinlich.
Auch eine ausgeprägte Amblyopie erscheint wenig plausibel, da es laut Anamnese keine früheren Auffälligkeiten bei den U-Untersuchungen oder anderweitigen augenärztlichen Kontrollen gegeben hat – ein solcher Visusverlust wäre dort in der Regel aufgefallen. Eine Makuladystrophie ist eine sehr seltene Erkrankung und kann anhand der vorhandenen Fundusbilder leider nicht sicher beurteilt werden. Dennoch spricht der primär in der Ferne reduzierte Visus nicht unbedingt dafür – makuläre Veränderungen zeigen sich meist sowohl im Fern- als auch im Nahsehen, was bei unauffälligen schulischen Leistungen eher unwahrscheinlich scheint.
Eine mögliche Erklärung könnte eine bislang unentdeckte, latente Hyperopie sein, die durch starke Akkommodationsleistung kompensiert wird. In manchen Fällen berichten Patient*innen mit einer Hyperopie sogar vorrangig über Beschwerden in der Ferne. Deshalb würde ich als nächsten diagnostischen Schritt eine Skiaskopie unter Zykloplegie empfehlen – zum einen zur objektiven Refraktionsbestimmung, zum anderen zur besseren Beurteilung des Fundus.
Spätestens mit dieser Untersuchung sollte sich eine Tendenz abzeichnen, ob eine unkorrigierte Hyperopie oder doch eine organische Ursache vorliegt. Ergänzend wäre eine erneute Nahvisusprüfung – mit und ohne Korrektur – aufschlussreich.
Differenzialdiagnostisch wurde auch das sogenannte "Schoolgirl-Syndrom" angesprochen – eine funktionelle Sehstörung, die gelegentlich bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Typisch ist dabei eine deutliche Diskrepanz zwischen den subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden. Ich habe selbst schon einige solcher Fälle begleitet und weiß, wie schwierig diese zu erkennen und einzuordnen sind. Vom Alter her wäre dies durchaus passend – aber auch hier gilt: Die Ursache kann in der Tiefe liegen und ist ohne umfassende Mitbeurteilung kaum zu erfassen.
Ein offenes Gespräch mit den Eltern – ohne das Kind – kann manchmal wichtige Hinweise liefern. In jedem Fall empfehle ich eine umfassende augenärztliche Mitbeurteilung, idealerweise inklusive Skiaskopie, orthoptischer Diagnostik und bei Verdacht auch unter Einbezug psychosomatischer Aspekte. Nur so lässt sich zwischen funktionellen und organischen Ursachen differenzieren.
Ich würde mich freuen, eine Rückmeldung zum weiteren Verlauf dieses interessanten Falls zu erhalten.
Beste Grüße,
Dr. med. Joshua Torrent Despouy